Alltagstaugliche Bezeichnungen statt neuer Hürden für pflanzliche Fleischalternativen
Alltagstaugliche Bezeichnungen statt neuer Hürden für pflanzliche Fleischalternativen
Positionspapier zur Überarbeitung von Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über die gemeinsame Marktorganisation
Zusammenfassung
- Vor dem Hintergrund des Kommissionsvorschlages vom 16. Juli 2025 für eine Überarbeitung der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO), ruft der Verein für Proteinvielfalt in Österreich (VPO) die österreichischen Vertreter:innen im EU-Ministerrat und im Europäischen Parlament dazu auf, sich gegen neue EU-Verbote für die Bezeichnung pflanzlicher Fleischalternativen Ein Verbot alltagstauglicher Bezeichnungen hätte zahlreiche negative Folgen für Verbraucher:innen, Wirtschaft und Umwelt in Österreich und Europa.
- Eine steigende Zahl von Konsument:innen in Österreich und Europa sucht beim Einkauf, zumindest gelegentlich, ganz bewusst nach pflanzlichen Fleischalternativen – nicht nur aus ethischen oder ökologischen Gründen, sondern auch aufgrund des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins.
- Alltagsnahe Produktbezeichnungen – wie etwa „100 % pflanzliches Schnitzel mit Hühnergeschmack“ – bieten den Verbraucher:innen dabei eine wertvolle Orientierungshilfe, was sie von einer pflanzlichen Alternative hinsichtlich Geschmack, Textur und Zubereitung erwarten können. Ein Verbot derartiger Bezeichnungen würde Konsument:innen eine wichtige Grundlage für informierte Kaufentscheidungen entziehen und sie damit – entgegen den Argumenten der EU-Kommission – nicht besser, sondern schlechter informieren. Hersteller wären gezwungen, alltagsfremde und erklärungsbedürftige Begriffe (z.B. „pflanzliches Bratstück mit Panade“ statt „pflanzliches Schnitzel“) zu verwenden. Dies würde eine zielgruppengerechte Vermarktung ebenso behindern wie die schnelle Einordnung der Produkte hinsichtlich Geschmack, Textur und Zubereitung durch die Verbraucher:innen.
- Schon heute müssen pflanzliche Fleischalternativen nach geltendem EU-Lebensmittelrecht klar und deutlich in unmittelbarer Nähe zur Produktbezeichnung als „pflanzlich“ oder „vegan“ gekennzeichnet Hersteller sprechen die Zielgruppen zudem ganz gezielt mit den Begriffen „pflanzlich“ oder „vegan“ an, da hierin der Unique Selling Point dieser Produktkategorie liegt. Eine Verwechslungsgefahr im Regal ist daher de facto nicht gegeben.
- Zudem hat auch der EuGH in seiner jüngsten Rechtsprechung klargestellt, dass die bestehenden EU-Vorschriften ausreichen, um Verbraucher:innen angemessen über pflanzliche Alternativen zu informieren und vor Irreführung zu schützen.
- Neue gesetzliche Beschränkungen für pflanzliche Fleischalternativen würden darüber hinaus zentralen EU-Zielen in den Bereichen Klima, Gesundheit und Ernährungssicherheit Zudem würde Österreich wertvolle Chancen verlieren, sich als Exportnation und Innovationsstandort in einem global wachsenden Zukunftsmarkt zu positionieren.
Hintergrund
Eine steigende Zahl von Konsument:innen in Österreich sucht beim Einkauf bewusst nach pflanzlichen Alternativen
Der Markt für pflanzliche Fleischalternativen in Österreich erlebt eine dynamischen Entwicklung. Immer mehr Konsument:innen greifen – zumindest gelegentlich – zu pflanzlichen Pendants zu Faschiertem, Schnitzel oder Wurst -– nicht nur aus ethischen oder ökologischen Gründen, sondern auch wegen des wachsenden Gesundheitsbewusstseins.
Besonders beliebt bei heimischen Konsument:innen sind pflanzliches Faschiertes, fleischfreie Filetstückchen, vegane Bratwürstel, pflanzlicher Aufschnitt „Extra“, 100 % pflanzliches Schnitzel mit Hühnergeschmack aus österreichischem Soja, vegane Burger Patties Typ Rind oder pflanzliches Filet Huhn-Art.[i] Diese Fleischalternativen werden aus einer Vielzahl von pflanzlichen Eiweißquellen hergestellt, wie z.B. Soja, Weizen (Seitan), Erbsen, Ackerbohnen, Linsen oder Süßlupinen.
Eine der größten und wachstumsstärksten Zielgruppen im Bereich der pflanzlichen Ernährung sind Flexitarier:innen – also Menschen, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren, ohne vollständig darauf verzichten zu wollen. Im europäischen Vergleich nimmt Österreich mit einem Anteil von 37 % Flexitarier:innen an der Gesamtbevölkerung einen Spitzenrang ein (gleich hinter Deutschland mit 40 % Flexitarier:innen).[ii] Für diese Konsument:innen sind pflanzliche Fleischalternativen besonders attraktiv, da sie:
- vertraute Geschmackserlebnisse bieten, ohne auf tierische Produkte zurückgreifen zu müssen,
- eine einfache Integration in gewohnte Koch- und Essgewohnheiten ermöglichen (z. B. Burger, Schnitzel, Würstchen),
- eine bewusste, aber alltagstaugliche Ernährungsweise unterstützen, die weder Verzicht noch radikale Umstellung erfordert.
Gerade für Flexitarier:innen sind klare, alltagsnahe Produktbezeichnungen wie „pflanzliches Schnitzel mit Hühnergeschmack“ entscheidend, um pflanzliche Fleischalternativen in ihre Essgewohnheiten zu integrieren. Diese klaren Bezeichnungen ermöglichen eine schnelle Einordnung des zu erwartenden Geschmacks und der Zubereitung in der Küche.
Ein dynamischer Wachstumsmarkt
Mit einem Umsatz im Jahr 2024 von 57 Millionen Euro in Österreich und einem prognostizierten Wachstum von über 10 % jährlich in den nächsten fünf Jahren,[iii] entwickelt sich der Sektor zu einem wichtigen Wachstumssegment der österreichischen Lebensmittelwirtschaft. Alleine im Jahr 2024 betrug die Steigerung der Absatzmenge der pflanzlichen Fleischalternativen +22,8 % im Vergleich zum Vorjahr.[iv] Insgesamt betrachtet ist der Marktanteil pflanzlicher Fleischalternativen am gesamten Fleischmarkt in Österreich derzeit noch relativ gering und liegt laut aktuellen Daten der AMA Marketing bei etwa 1 %.[v] Eine Konkurrenz zur tierischen Produktion besteht daher nicht. Gleichzeitig kompensieren die hohen Wachstumsraten im Segment der pflanzlichen Alternativen zumindest einen Bruchteil des fallenden Pro-Kopf-Verbrauchs von Fleisch in Österreich von 10 % in den vergangenen zehn Jahren.
Mit Blick auf den Zukunftsmarkt pflanzlicher Alternativprodukte ist Österreich gut aufgestellt, um in diesem Bereich eine führende Rolle einzunehmen, denn es verfügt über offene und ernährungsbewusste Verbraucher:innen, innovative Startups und KMU sowie investierende Unternehmen aus Lebensmittelwirtschaft, Handel und Industrie (darunter u.a. die Mitglieder des Vereins für Proteinvielfalt in Österreich). Im Juli 2025 wurde die Lehre „Fachkraft für vegetarische Kulinarik“ eingeführt. Potenzial für künftige Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze eröffnet sich auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, von der Landwirtschaft über den Maschinenbau und Verarbeitungsbetriebe bis hin zu Lebensmittelindustrie und Handel.
[i] Fleischersatzprodukte – Österreich | Statista Marktprognose
[ii] Österreich als Spitzenreiter beim Anteil von vegan und fleischlos lebenden Menschen | Vegane Gesellschaft Österreich
[iii] Fleischersatzprodukte – Österreich | Statista Marktprognose
[iv] Scannerdaten Nielsen IQ
[v] Pflanzliche Milch- und Fleischalternativen mit starken Zuwächsen | Kurier
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile von pflanzlichen Alternativen
Pflanzliche Fleischalternativen bieten ein breites Spektrum an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteilen, die weit über individuelle Ernährungspräferenzen hinausgehen und einen wichtigen Beitrag zu Gesundheit, Nachhaltigkeit und Innovationskraft in Österreich leisten.
Gesundheitliche Vorteile für die Bevölkerung
- Reduktion von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin
- Beitrag zur Prävention ernährungsbedingter Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und Adipositas
- Förderung eines ausgewogenen Lebensstils – insbesondere unter Flexitarier:innen
Ökologische Nachhaltigkeit
- Geringerer Ressourcenverbrauch (Wasser, Fläche, Futtermittel)
- Reduktion von Treibhausgasemissionen und Umweltbelastungen
- Beitrag zur Erreichung nationaler und EU-weiter Klimaziele
Wirtschaftliche Chancen
- Wachstumsstarker Markt mit zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr
- Förderung von Innovation und Produktentwicklung in der Lebensmittelindustrie
- Schaffung neuer Arbeitsplätze in Forschung, Produktion und Vertrieb
- Exportpotenzial für österreichische Unternehmen im Bereich „Plant-Based Food“
Stärkung regionaler Wertschöpfung
- Nutzung heimischer Rohstoffe wie Soja, Ackerbohnen, Erbsen, Weizen oder Lupinen
- Förderung nachhaltiger Landwirtschaft und Verarbeitung in Österreich
Gesellschaftlicher Wandel und Konsumverhalten
- Unterstützung eines bewussteren Konsumverhaltens ohne Zwang zum vollständigen Verzicht (tierische und pflanzliche Lebensmittel ergänzen sich)
- Breite Akzeptanz in der schnell wachsenden Gruppe der Flexitarier:innen, Vegetarier:innen und gesundheitsbewussten Konsument:innen
Auf EU-Ebene drohen neue Wettbewerbsverzerrungen
Trotz des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenzials von pflanzlichen Fleischalternativen und der wachsenden Nachfrage von Verbraucher:innen, gibt es derzeit auf EU-Ebene Bestrebungen, etablierte Begriffe wie Burger und Schnitzel sowie dutzende weitere Bezeichnungen künftig exklusiv Produkten tierischer Herkunft vorzubehalten und damit ein neues Wettbewerbshindernis für pflanzliche Alternativen aufzubauen:
- Im Europäischen Parlament wird im Kontext der Überarbeitung von Verordnung (EU) 1308/2013 über die Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) darüber diskutiert, ob bestimmte Begriffe wie Burger, Schnitzel oder Steak künftig ausschließlich Produkten tierischer Herkunft vorbehalten sein sollen. Parallel werden entsprechende Restriktionen für pflanzliche Fischprodukte im Fischereiausschuss diskutiert. Diese politischen Vorstöße erfolgen fünf Jahre nachdem das Europäische Parlament einen ähnlichen Vorschlag abgelehnt hatte und der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2024 ein entsprechendes Verbot auf nationaler Ebene – eingeführt durch die französische Regierung – für unzulässig erklärte.[i]
- Am 16. Juli 2025 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Überarbeitung der GMO-VO einen Vorschlag vorgelegt, demzufolge die Verwendung vertrauter Bezeichnungen für pflanzliche Alternativen durch eine Liste von verbotenen Begriffen eingeschränkt werden soll. Die Kommission geht nicht soweit, Begriffe wie pflanzliches Steak, Veggie-Burger oder pflanzliche Wurst pauschal zu verbieten, will aber insgesamt 29 Begriffe untersagen, darunter Begriffe wie „Rind“, „Huhn“, „Schwein“, „Speck“ sowie beschreibende Begriffe wie „Brust“, „Flügel“, „Keulen“ oder „Rippen“. Demnach wäre etwa die Verwendung von Beschreibungen wie „pflanzliches Schnitzel mit Hühnergeschmack“ oder „pflanzlicher Speck (Bacon)“ künftig Zudem ist zu befürchten, dass im Laufe des EU-Gesetzgebungsprozesses weitere Vorschläge für verbotene Begriffe eingebracht werden könnten.
- Anders als bei Milchprodukten, die einem strikten Bezeichnungsschutz auf EU-Ebene unterliegen[ii], gibt es bislang für Fleischbegriffe keine einheitlichen rechtlichen Vorgaben auf EU-Ebene, die die Verwendung von alltagsnahen Begriffen unverhältnismäßig stark einschränken. Bisherige Versuche, solche Restriktionen auf nationaler oder europäischer Ebene einzuführen, sind bislang an der jeweiligen Rechtsprechung oder an fehlenden Mehrheiten gescheitert.
[i] EuGH, 04.10.2024 – C-438/23
[ii] Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
EU-Verbote für pflanzliche Alternativen weder erforderlich noch zielführend für Verbrauchertransparenz – und schädlich für den Innovationsstandort Österreich
Laut EU-Kommission sollen mit den Bezeichnungsverboten die Verbraucher:innen besser informiert und die kulturelle Bedeutung von Fleischprodukten geschützt werden. Diese Argumente gehen jedoch aus mehreren Gründen ins Leere. Tatsächlich würde ein Verbot alltagstauglicher Bezeichnungen für pflanzliche Fleischalternativen die europäischen Konsument:innen nicht besser, sondern schlechter informieren, und darüber hinaus dem Innovationsstandort Österreich schaden.
Alltagstaugliche Begriffe als wichtige Orientierungshilfe für Konsument:innen
Alltagsnahe Produktbezeichnungen wie etwa „100 % pflanzliches Schnitzel mit Hühnergeschmack“ oder „pflanzlicher Bacon“ bieten der wachsenden Zahl an Konsument:innen, die beim Einkauf gezielt nach pflanzlichen Alternativen suchen, eine wertvolle Orientierungshilfe. Sie vermitteln auf einen Blick, was hinsichtlich Geschmack, Textur und Zubereitung vom Produkt zu erwarten ist. Ein Verbot solcher Bezeichnungen würde Verbraucher:innen eine wichtige Orientierungshilfe für informierte Kaufentscheidungen entziehen und sie daher nicht besser, sondern schlechter informieren.
EU-Recht verlangt bereits heute eindeutige und verständliche Produktbezeichnungen
Nach geltendem EU-Lebensmittelrecht (Art. 7 LMIV) müssen Informationen über Lebensmittel stets zutreffend, klar und für die Verbraucher:innen leicht verständlich und nicht irreführend sein. Sowohl Art. 7 Abs. 1 LMIV als auch § 5 Abs. 2 Z 1 LMSVG beinhalten ein gesetzliches Irreführungsverbot, das sich unter anderem explizit auf die Art, Identität, Eigenschaften und Zusammensetzung des Lebensmittels bezieht. Um diesen gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen pflanzliche Fleischalternativen bereits heute klar und deutlich als „pflanzlich“ oder „vegan“ gekennzeichnet sein.
Zudem hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner jüngsten Entscheidung (Rechtssache C-438/23) klargestellt, dass die bestehenden EU-Vorschriften ausreichen, um Verbraucher:innen angemessen über pflanzliche Fleischalternativen zu informieren und vor Irreführung zu schützen. Die Angabe „vegan“ oder „pflanzlich“ in unmittelbarer Nähe zur Produktbezeichnung reicht demnach aus, um eine Irreführung der Verbraucher:innen zu vermeiden.
In Österreich hat zudem die Codex-Kommission im November 2023 auf Basis der geltenden EU-Rechtslage eine eigene Leitlinie zur täuschungsfreien Aufmachung pflanzlicher, veganer und vegetarischer Alternativen beschlossen, die unter Verwendung konkreter Fallbeispiele sicherstellen soll, dass pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten zutreffend, klar, leicht verständlich und nicht irreführend gekennzeichnet sind.[i]
Angesichts dieses klaren, bestehenden EU-Rechtsrahmens besteht keinerlei Notwendigkeit für weitere gesetzliche Beschränkungen im Hinblick auf die Bezeichnung pflanzlicher Alternativprodukte.
Hersteller und Handel sprechen Zielgruppen gezielt an – keine Verwechslungsgefahr
Auch unabhängig von gesetzlichen Anforderungen haben die Hersteller pflanzlicher Fleischalternativen ein offensichtliches Eigeninteresse daran, ihre Produkte transparent von tierischen Produkten abzuheben, da sie sich gezielt an die wachsende Gruppe der Flexitarier:innen wenden. Um der steigenden Nachfrage nach Ersatzprodukten gerecht zu werden, müssen diese Produkte für Kund:innen auf den ersten Blick als pflanzlich erkennbar sein – schließlich ist genau das der Unique Selling Point dieser Produkte. Die Hersteller kennzeichnen ihre Produkte daher ganz bewusst und mehrfach auf der Verpackung als „100 % pflanzlich“ oder „vegan“ sowie durch gezieltes Produktdesign (z.B. grün als Signalfarbe, Nutzung des V-Labels als Gütesiegel für rein pflanzliche Produkte).
Der Handel spricht die eigene Zielgruppe in der Vermarktung pflanzlicher Alternativen ebenfalls gezielt an. So bewerben alle österreichischen Einzelhändler diese Produkte in ihren Flugblättern deutlich mit den ergänzenden Hinweisen „100 % pflanzlich“ oder „vegan“.
Laut Europäischem Verbraucherverband (BEUC) gibt es keine Hinweise darauf, dass Begriffe wie „Veggie-Burger“ oder „vegane Wurst“ Konsument:innen in die Irre führen – im Gegenteil: Einer EU-weiten BEUC-Studie[ii] zufolge sind rund 80 % der befragten Verbraucher:innen der Meinung, dass traditionelle Fleischbezeichnungen für pflanzliche Alternativen zulässig sein sollten, sofern diese klar als vegetarisch oder vegan gekennzeichnet sind (wie bereits heute gesetzlich geregelt).
Ebenso wenig zeigen internationale Studien Verwirrung bei Verbraucher:innen. Bei einer Studie[iii] im Rahmen des Smart Protein Projects aus dem Jahr 2023, die in neun EU-Ländern und Großbritannien durchgeführt wurde, konnten 91 % der Verbraucher:innen pflanzliche Optionen ohne Schwierigkeiten erkennen. Einer österreichischen Studie[iv] aus dem Jahr 2023 zufolge konnten die Verbraucher:innen, wenn ihnen zwei unterschiedliche Produktpaare gezeigt wurden, je nach Produkt in 92 % bis 97 % der Fälle zwischen dem tierischen und dem pflanzlichen Produkt unterscheiden. Die geringe Verwechslungsquote zeigte sich in dieser Studie in beide Richtungen – so wurde etwa auch ein tierischer Lachs von Befragten als pflanzlich eingestuft.
Die Behauptung, es fehle an Unterscheidbarkeit zwischen pflanzlichen und tierischen Optionen, steht daher im Widerspruch sowohl zur geltenden EU-Rechtslage und der Marktlogik als auch zur Studienlage und den zahlreichen Maßnahmen der Hersteller und Handelsunternehmen, um Transparenz für ihre jeweiligen Zielgruppen zu schaffen.
Wirtschaftliche Folgen – Neue EU-Verbote schaden dem Innovationsstandort
Der Sektor für pflanzliche Fleischalternativen ist ein junger Sektor und als solcher besonders von den politischen Rahmenbedingungen abhängig. Sollten etablierte Produktbezeichnungen wie Burger oder Schnitzel bzw. ergänzende Beschreibungen wie „mit Hühnergeschmack“ pauschal für pflanzliche Produkte untersagt werden, werden nicht nur Verbraucherrechte geschwächt, sondern auch wirtschaftliche Perspektiven.
Unternehmen wären gezwungen, alltagsfremde und erklärungsbedürftige Begriffe (wie z.B. „pflanzliches Bratstück mit Panade“ statt „pflanzliches Schnitzel“) zu verwenden. Das hätte direkte Folgen für Kommunikation, Marktzugang und Innovationsdynamik.
Zudem würden solche Verbote zu erhöhtem bürokratischem Aufwand und zusätzlichen Kosten für Hersteller führen, da Kennzeichnungen und Verpackungen vollständig überarbeitet werden müssten – ohne erkennbaren Mehrwert für den Verbraucherschutz. Besonders betroffen wären kleine und mittlere Unternehmen sowie der Lebensmitteleinzelhandel, deren Sortimente und Verpackungen auf bewährten Begriffen basieren.
Dies würde zusätzlichen Druck auf eine strategisch relevante, junge Branche ausüben, die sich bereits in einem komplexen Innovations- und Wettbewerbsumfeld behaupten muss. Statt Schutz würde so vor allem Verunsicherung entstehen, verbunden mit ökonomisch spürbaren Folgen für Investitionen, Marktchancen und Versorgungssicherheit.
Neue Restriktionen im Hinblick auf die Nutzung bestimmter Bezeichnungen lassen sich nicht mit dem Verbraucherschutz rechtfertigen, sondern wären vielmehr ein willkürlicher Eingriff in den Markt. Die Folge wäre, dass der Wettbewerb weiter verzerrt, die Wahlfreiheit der Verbraucher:innen geschwächt und innovative Unternehmen in Österreich ausgebremst werden. Darüber hinaus würde Österreich wertvolle Chancen verlieren, sich als Exportnation und Innovationsstandort in einem global wachsenden Zukunftsmarkt zu positionieren.
[i] Österreichisches Lebensmittelbuch – Anhang 11 Leitlinie über die täuschungsfreie Aufmachung von pflanzlichen, veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit Bezug in der Kennzeichnung zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs
[ii] BEUC (2020): One Bite at a Time: Consumers and the Transition to Sustainable Food. Link
[iii] Smart Protein Project (2023): Evolving Appetites: An in-depth Look at European Attitudes towards Plant-based Eating. Link
[iv]Rewe Group (2023): Bezeichnungsschutz bei veganen Artikeln (nicht öffentlich)
Appell an die österreichische Politik
Statt neuer Barrieren für pflanzliche Fleischalternativen braucht es faire Spielregeln für alle Marktteilnehmer, die sich an den Interessen der Verbraucher:innen, der Nachhaltigkeit und des Innovationsstandorts Österreich und Europa orientieren.
Die österreichischen Vertreter:innen im EU-Ministerrat und Europaparlament sollten daher
- klarstellen, dass die bestehenden EU-Kennzeichnungsregelungen ausreichen, um Verbraucherinteressen zu schützen und Transparenz zu gewährleisten. In diesem Sinne sollten zusätzliche Regelungen auf EU-Ebene verhindert werden, die die Verwendung vertrauter Begriffe wie „Burger“ oder „Schnitzel“ sowie ergänzender Beschreibungen wie „mit Hühnergeschmack“ weiter einschränken.
- gegenüber den Verhandlungspartnern auf EU-Ebene klarmachen, dass Restriktionen, wie sie im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 derzeit diskutiert werden, über den eigentlichen Regelungsbereich der Verordnung hinausgehen und dass solche sachfremden Regelungen geeignet sind, funktionierende Marktmechanismen zu stören und heimischen Unternehmen zu schaden.
Der Verein
Der Verein für Proteinvielfalt in Österreich ist Ansprechpartner für alle Fragen rund um pflanzliche und innovative Proteinquellen. Wir setzen uns dafür ein, das Bewusstsein der Konsument:innen für alternative, nachhaltige Proteinquellen zu erweitern sowie die Auswahl an neuen Produkten in Österreich zu vergrößern.
Unsere Ziele sind mehr Nachhaltigkeit, mehr Umwelt- und Klimaschutz, Sparsamkeit von Ressourcen, mehr Bodengesundheit, Ernährungssicherheit in der Landwirtschaft sowie mehr Wissen rund um ökologische und gesundheitliche Aspekte der Lebensmittelherstellung.
Wir wollen förderliche Rahmenbedingungen für pflanzliche und innovative Lebensmittel schaffen und gemeinsam mit der heimischen Forschung, Landwirtschaft und Wirtschaft daran arbeiten, das Potenzial pflanzlicher und innovativer Lebensmittel zu heben.
Wir sind der Auffassung, dass es zur Proteinversorgung der Zukunft einen konstruktiven und transparenten Austausch auf Basis von wissenschaftlichen Fakten braucht und wollen dazu durch Informations- und Dialogangebote beitragen.
Kontakt:
Verein für Proteinvielfalt in Österreich
Schottengasse 10, 2. Stock, 1010 Wien
www.proteinvielfalt.at / dialog@proteinvielfalt.at


